Initiator der Acherner Glashütte war der Glasmacher Johann Georg Böhringer aus Buhlbach (Baiersbronn). 1885 erwarb er an der Bahnlinie in Achern ein rund 3,7 ha großes Gelände; am 21. September 1886 wurde dort die erste Flasche – eine Champagnerflasche – mundgeblasen. Der ursprüngliche Name lautete daher „Champagnerflaschenfabrik Achern“. Der Anschluss an die Rheintalbahn war strategisch: Kohle, Quarzsand und Kalk konnten per Bahn angeliefert, Flaschen an Kunden abtransportiert werden.
Böhringer entstammte der bekannten Buhlbacher Glasmacherfamilie. Als die abgelegene Schwarzwaldhütte im Kohlezeitalter Standortnachteile bekam, gründeten Mitglieder der Familie neue Werke an verkehrsgünstigen Orten – darunter Achern. Zeitgenössische und spätere Darstellungen nennen Achern explizit als Neugründung der Böhringer-Linie.
Schon kurz nach dem Start wurde ein zweiter Ofen in Betrieb genommen; produziert wurden Sekt-, Bier-, Wein- und Wasserflaschen. Um 1900 hielt die maschinelle Flaschenfertigung Einzug (Champagnerflaschen blieben teils mundgeblasen). Die Acherner Hütte galt in dieser Zeit als eines der größeren und modernen Hohlglaswerke in Deutschland.
Da qualifizierte Glasbläser rar waren, ließ die Glashütte früh Werkswohnungen nahe des Werks errichten (u. a. im Bereich Josef-Wurzler-Straße / Am Acherrain), um Fachkräfte zu binden. Zeitzeugen berichten von einem Werksbad, später entstand ein separates Badehaus; zeitweise verwaltete das Unternehmen rund 100 Werkswohnungen. Das zeigt eine für die Epoche bemerkenswerte soziale Infrastruktur.
Am 21. Mai 1997 kam es zu einem schweren Betriebsunfall: Der Boden von Wanne 4 brach, etwa 400 t Schmelze traten aus, Brände entstanden – der Schaden war immens, der Betrieb lief jedoch nach Reparaturen weiter. Später gehörte die Acherner Glashütte zum US-Konzern Owens-Illinois (O-I). 2012 fiel die Entscheidung zur Schließung (damals ca. 195 Beschäftigte); 2013 war sie vollzogen.
2015 kaufte die KARL-Gruppe das rund 11 ha große Areal; der markante, 84 m hohe Schornstein wurde am 4. Juni 2016 kontrolliert gefällt. Auf dem Gelände entsteht das Stadtquartier „Neues Wohnen an der Acher“; geplante Plätze wie „Glas-“ und „Champagner-Platz“ erinnern an die industrielle Vergangenheit.
Die Glashütte prägte über 125 Jahre die Wirtschafts- und Sozialgeschichte Acherns – vom Industrialisierungsschub über die Arbeitsmigration der Glasbläser bis zur Konversion einer innerstädtischen Industriebrache. Ihre Gründung folgt dem Muster vieler Schwarzwald-Hüttenfamilien: Know-how-Transfer aus den Waldglashütten, Verkehrsanschluss als Standortfaktor und der Schritt von der Manufaktur zur industriellen Flaschenproduktion.